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2024-01-16 09:49:29

Kris on Nostr: Warum Jugendschutz? Der Jugendschutz im Allgemeinen ist eine im Grundgesetz ...

Warum Jugendschutz?

Der Jugendschutz im Allgemeinen ist eine im Grundgesetz verankerte staatliche Aufgabe.
Er ist nicht einfach etwas, das der Staat nicht machen kann.

Ausnahmen vom Jugendschutz sind klar geregelt und sind im Wesentlichen das "Elternprivileg".
Erziehungsberechtigte, und nur diese, dürfen für Ihr Kind – im Rahmen bestimmter Grenzen – frei entscheiden,
was ihr Kind wann darf oder nicht darf.
Darum darf Deine Mutter Dich mit drei Jahren an ihrem Bier probieren lassen,
wenn Du interessiert wissen willst, was sie da trinkt.
Und darum darf Dein Vater Dich mit 6 Jahren Harry Potter Teil 4 und Folgende sehen lassen,
wenn Du unbedingt sehen möchtest wie es weiter geht.

Lehrer an Schulen dürfen das nicht.
Das Elternprivileg gilt nicht für sie.
Sie müssen also, wenn Schüler Medien in irgendeiner Form zu sich nehmen wollen,
dies im Rahmen des grundgesetzlich vorgeschriebenen und gesetzlich ausgestalteten Jugendschutzes tun,
wenn sie sich von Klagen durch besorgte Bürger frei stellen wollen.

Internet an Schulen ist für die Schule auf viele Weisen ein Risiko,
und Haftung auf der Basis von Verletzungen des Jugendschutzes ist eines davon.

Schlimmer noch, auch Anbieter von Medien jeder Art unterliegen den Regelungen des Jugendschutzes.
Niemand kann Filme, Hörspiele, Bücher, aber auch keine Webseiten oder Computerspiele anbieten,
ohne dabei den Jugendschutz zu berücksichtigen.
Alle diese Dinge brauchen eine Einordnung und eine wirksame Zugriffsbeschränkung,
sonst Klage und, schlimmer, schlechte Presse.Pre-Internet Jugendschutz

Das hat in der Vergangenheit bis in die späten 90er Jahre wunderbar funktioniert.
Hauptsächlich deswegen, weil es keine kostenlosen und damit unfinanzierten Veröffentlichungen gab.
Und weil deswegen Veröffentlichung stark ge-gateway-ed war –
man konnte kein Buch, kein Spiel und schon gar kein Hörspiel oder keinen Film machen und dann verbreiten,
ohne durch einen Mediator zu gehen.
Also einen Verlag, eine Rundfunkanstalt oder einen anderen Vertriebs- und Verbreitungspartner,
der dabei dann auch massenhaft redaktionelle Bearbeitung betrieben hat,
und natürlich dabei auch die Formalien wie Anmeldungen bei Verwertungsgesellschaften oder Bewertung durch den Jugendschutz vorgenommen hat.

Weil Inhalte grundsätzlich nie kostenlos waren, hat das nicht nur die Verfügbarkeit von Inhalten eingeschränkt,
sondern auch diese Formalien mit finanziert.
Auch wichtig: Es hat die Anzahl der Stellen reduziert, mit denen die staatlichen Stellen und ihre Organe zu tun hatten,
und durch die Pflicht zur kommerziellen Viabilität wurde auch eine Vorauswahl getroffen.

Seit den späten 90er Jahren haben wir mediatorfreie Kommunikation.
Jeder Mensch kann mit genau gar keinem Aufwand Medien produzieren und publizieren.
Das kann durch Editieren eines existierenden Wikis passieren – das hat Brockhaus das Genick gebrochen.

Es kann auch durch das Betreiben und Veröffentlichen eines Blogs, durch das Schreiben von Posts und Threads in Social Media,
durch das Aufnehmen und Verbreiten von Podcasts über diese Blogs,
oder halt durch das Produzieren von Filmen mit massiv verbilligten Produktionsmitteln geschehen.
Das letztere hat zum Beispiel zu "In the Pirkinning" und zu "Prelude to Axanar" geführt hat,
und dann zu entsprechenden rechtlichen Reaktionen von Rechte-Inhabern.Drei Gründe für das Zusammenbrechen des Jugendschutzes im Internet

Es führt auch zu einem Zusammenbruch der deutschen Idee von Jugendschutz.
Das deutsche Jugendschutz-Konstrukt ist überhaupt nicht darauf eingerichtet,
mit mediatorfreier, massenhafter und weltweiter Generierung von Content klarzukommen.
Das sind drei unabhängige Probleme, die alle auch einzeln zum Zusammenbruch führen.

Mediatorfrei heißt, daß kein Verlag oder Aggregator zwingend involviert ist.
Ich habe einen Inhalt, ich stelle den irgendwo hin und Du kannst den finden, herunterladen und konsumieren.
Die Idee von JusProg und anderen Filterprogrammen ist immer das Konzept eines installierbaren Zwangs-Mediators,
dem Filter, der den direkten Zugriff auf bestimmte Inhalte verhindert.
Das setzt bestimmte Dinge voraus, wir werden da gleich noch drauf eingehen.

Und massenhaft heißt, daß es keine Vorauswahl gibt.
Nicht durch einen Mediator, etwa einen Verlag mit einem Editor, der das gut finden muss, was Du publizieren willst.
Aber auch nicht finanziell – die Grundkosten sind so niedrig, daß effektiv jede Person alles publizieren kann,
was diese Person publizieren möchte.
Und auch nicht durch eine Lizenz – man muss im Internet nicht wie beim deutschen BTX der späten 80er Jahre
als Anbieter statt Nutzer registrieren lassen, damit man Dinge schreiben darf und mehr tun kann als konsumieren.

Massenhaft hat zur Folge, dass die Anzahl und Menge der produzieren Medien die Bewertungskapazität der zur Verfügung stehenden qualifizierten Bewerter massiv übersteigt.
Damit ist nicht nur keine Diskussion über individuelle Bewertungen mehr möglich,
sondern Bewertungen müssen schematisch nach Syntax, nicht Semantik erfolgen.
Sie können nicht einmal mehr stichprobenhaft auf Korrektheit kontrolliert werden.

Und weltweit heißt, daß sowohl Inhalte als auch ihre Klassifizierung die Grenzen eines homogenen Kulturraumes weit überschreiten.
Eine sinnvolle Einigung über Klassifikationen ist nicht mehr möglich.
Teilweise ist nicht einmal eine Unterhaltung über Dimensionen und Skalen einer Klassifikation möglich.

Schon innerhalb Deutschlands sind die Maßstäbe der Inhaltsbewertung traditionell massiv uneinheitlich.
Der bayrische Rundfunk hat zum Beispiel die Ausstrahlung bestimmter Folgen "Scheibenwischer" verweigert,
und sich aus dem Netz der ARD verabschiedet.
Auch die inzwischen eingestellte Sendung "Sesamstraße" war in Bayern nicht verfügbar.

Wenn es um Inhalte im Internet geht, ist aber republikweit entlang bestimmter politischer Bruchlinien schon lange massiv keine sinnvolle Einigung möglich.
Weltweit noch viel weniger.
Man stelle sich ein Inhaltsbewertungssystem vor, das sowohl für Schweden, Spanien, Saudi-Arabien, die USA und Thailand funktioniert.

Jede Form von inhaltlicher Bewertung kann sich also nur an objektiven Kriterien orientieren:
"Nippel sichtbar", "Messer, Gewalt, Blut sichtbar", oder halt der berühmte "körperbezogene Penisneigungswinkel".

In einem solchen System ist das Foto eines durchschnittlichen Gummifetischisten dann halt unkritisch, weil
keine Haut sichtbar ist (keine Nacktheit), die Pose nicht sexuell suggestiv ist (kein Sex),
keine Gewalt zu sehen ist (keine Gewalt) und auch keine unangemessene Sprache verwendet wird (keine Flüche oder verbotene Worte).
Zugleich werden ein Haufen Stakeholder protestieren und dieses Bild irgendwie klassifiziert sehen wollen.
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