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Vitaldaten auf dem Smartphone
KI kann Vieh: Diese weiße Kapsel sendet Live-Daten aus dem Kuhmagen
Moderne Sensortechnik zeigt Landwirten, wenn Kühe mit einer Infektion kämpfen, die Geburt eines Kalbes ansteht oder die Fütterung verändert werden muss. Experten sind allerdings skeptisch, ob sich dadurch das Tierwohl verbessert.
11.10.2024, 13:14 Uhr
Fitnesstracker sind zum beliebten Accessoire geworden. Mindestens genauso verbreitet sind sie im Kuhstall – dort allerdings zunehmend als eine Art schluckbare Riesenpille. Solche Systeme fänden immer mehr Verbreitung in deutschen Milchviehbetrieben, sagt Uta König von Borstel von der Universität Gießen. Verbunden sei damit die Hoffnung, effizienter und zeitsparender zu arbeiten.
Der sogenannte Bolus ähnelt einer überdimensionalen Pillenkapsel und enthält eine Reihe von Sensoren nebst Sender. Die jeweilige Kuh bekommt ihn über ein Rohr in den Netzmagen geleitet. Dort bleibt er ihr gesamtes Leben lang, erst im Schlachthof wird er wieder entfernt.
Aktuell hat ein spezielles Gerät viele Abnehmer: das System des österreichischen Unternehmens Smaxtec. Es verspricht eine Menge Hinweise unter anderem zu möglichen Erkrankungen, bald anstehender Kalbung oder auch beginnender Brunst – also der Phase, in der eine Kuh befruchtungsfähig ist.
Seltener nachts aufstehen
Für Landwirte sei gerade die Information, wann bei den einzelnen Tieren die Geburt des Kalbes ansteht, vorteilhaft, erklärt König von Borstel, Professorin am Institut für Tierzucht und Haustiergenetik. „Das spart bei verlässlichen Systemen doch den einen oder anderen nächtlichen Kontrollgang oder zumindest Kontrollblick auf die Kameras im Abkalbestall.“
Eine genaue Vorhersage der Brunst sei für die Effizienz des Betriebes wichtig: Nur eine erfolgreich besamte und neun Monate später kalbende Kuh liefert Milch. Abgeleitet wird der Hinweis auf die Brunst aus der erhöhten Aktivität des Tieres.
Der Fitnesstracker wird in den Netzmagen der Kühe eingesetzt und sendet von dort aus Daten
Quelle: Smaxtec
Beim Kalben ist es die Entwicklung der Körpertemperatur: Sie sinkt im Vorfeld der Geburt, wie Imme Dittrich, Fachbereichsleiterin Rinderhaltung bei der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, erklärt. Eine verringerte Temperatur kann demnach jedoch auch ein Hinweis auf eine Stoffwechselstörung wie das durch Kalziummangel verursachte Milchfieber sein – steigende Werte hingegen können bedeuten, dass sich die Kuh mit einer Infektion oder Entzündung plagt.
Der Landwirt bekomme dann via Kurznachricht aufs Handy zum Beispiel gemeldet, dass Kuh 312 eine erhöhte Körpertemperatur hat, und könne gezielt nach diesem Tier schauen, erklärt Dittrich. Aktuell häuften sich solche Nachrichten in vielen Betrieben – wegen der in Rinderbeständen stark zirkulierenden Blauzungenkrankheit.
Zahl der Betriebe hat sich halbiert
Generell können gerade bei großen Betrieben viele Hinweise täglich einlaufen. „Im Schnitt haben zum Beispiel die Milchviehbetriebe in Schleswig-Holstein etwa 200 Kühe, ein Teil davon sehr viel mehr“, erklärt Dittrich. Das ist Folge des Strukturwandels hin zu weniger, aber größeren Höfen: 101.000 Milchkuhhaltungen gab es dem Deutschen Bauernverband zufolge im Jahr 2008 noch in Deutschland – im vergangenen Jahr waren es nur noch 51.700.
Messwerte wie die von Smaxtec gelieferten könnten dabei helfen, schon einzugreifen, wenn ein Tier zum Beispiel erst leicht – und damit nicht unbedingt sichtbar – erkrankt sei, sagt Dittrich. „Wird eine Euterentzündung früher behandelt, werden eventuell weniger Antibiotika benötigt.“ Und eine möglichst früh behandelte Stoffwechselstörung lässt eine Milchkuh schneller wieder die ursprüngliche Leistung liefern.
Entscheidend bleibt der Landwirt selbst
Voraussetzung ist, dass die Betriebsleiter und Herdenmanager die vielen Daten auch durchblicken und sinnvoll damit umgehen können. „So ein System steht und fällt mit den Menschen, die es nutzen“, sagt König von Borstel. Dass die mittlere Milchleistung noch einmal zunimmt und Kühe später aussortiert werden als bisher, sei bei voller und optimaler Ausnutzung der Systeme zwar denkbar. „In der Praxis ist der Landwirt mit der Flut an Daten – neben all den anderen Aufgaben, die er hat – oft eher überlastet.“
Ein Landwirt müsse heutzutage ein wahrer Datenwissenschaftler sein, sagt auch Dittrich. Und das Ausmaß der Nutzung von Messungen und KI nehme weiter zu, ergänzt König von Borstel. Mindestens einmal, besser zweimal täglich müsse derzeit die Liste an auffälligen Tieren kontrolliert werden – anschließend gelte es, sich diese Kühe im Stall anzusehen.
So ein System steht und fällt mit den Menschen, die es nutzen. In der Praxis ist der Landwirt mit der Flut an Daten – neben all den anderen Aufgaben, die er hat – oft eher überlastet.“
„Die Differenzierung, welches genaue Problem vorliegt, ist anhand der vom Bolus gelieferten Daten nicht immer eindeutig“, erklärt die Expertin. Ganz ohne den Blick auf das Tier und Kenntnisse zu den Begleitumständen gehe es nicht. Die Daten stützten Entscheidungen, nähmen sie dem Landwirt aber nicht ab, betont auch Dittrich. „Es ist immer noch essenziell, dass er selbst nach den Tieren schauen geht.“
Diesen Aspekt betont auch der Tiergesundheitsexperte Albert Sundrum. Dass der Betriebsleiter regelmäßig seine Tiere beobachtet, hält er für wesentlich wichtiger als neue und kostenträchtige Techniken wie die Bolus-Systeme. Es gehe bei den Geräten nicht zentral um das Tierwohl, sondern vor allem um potenzielle Arbeitszeiteinsparung und Effizienzsteigerung. Das seit Jahrzehnten bestehende Grundproblem der durchschnittlich sehr hohen Erkrankungs- und Abgangsraten werde auch mit den Sensoren nicht gelöst.
5 statt 20 Jahre Leben
Mehr als 20 Jahre alt können Kühe eigentlich werden, in Milchviehbetrieben werden sie aber nach Angaben des Bauernverbandes im Durchschnitt nach fünf Jahren aussortiert. Viele leiden an Krankheiten.
Im Durchschnitt gingen mehr als 80 Prozent der Erkrankungen von Milchkühen auf ernährungsbedingte Störungen zurück, erklärt Sundrum, ehemaliger Leiter des Fachgebietes Tierernährung & Tiergesundheit an der Universität Kassel. „Es besteht eine enorme Variation des Nährstoffbedarfes innerhalb einer Herde, so dass eigentlich eine tierindividuelle Fütterung nötig wäre.“ Helfen könne, die Kühe nach Leistungsstand in Gruppen einzuteilen und gezielt zu versorgen. Und, so empfiehlt es Sundrum: die Tiere täglich über eine automatische Viehwaage laufen zu lassen. An Gewichts-Datenreihen ließen sich tierindividuelle Abweichungen frühzeitig erkennen und die Nährstoffversorgung anpassen.
30 Millionen Tonnen Milch jährlich
Deutschland hat in der Milchviehhaltung sehr heterogene Strukturen – „von kleinbäuerlichen Beständen mit wenigen Kühen in Anbindehaltung bis hin zu Betrieben mit 1000 Kühen und mehr“, wie König von Borstel erklärt. Insgesamt gibt es dem Deutschen Bauernverband zufolge rund 3,7 Millionen Milchkühe (Stand Mai 2024). Mit über 30 Millionen Tonnen jährlich ist Deutschland der größte Kuhmilchproduzent innerhalb der Europäischen Union.
Neu ist das Sammeln etlicher Daten dabei keineswegs. „Die wichtigste Datenquelle stellte lange die Milchleistungsprüfung dar“, erklärt König von Borstel. Geprüft wird dabei etwa der Fett- und Eiweißgehalt, aus dem sich auf eine Unter- oder Überversorgung der Kuh schließen lässt, wie die Expertin erklärt. Harnstoff ist ein Indikator für die Proteinversorgung der Kuh.
Beim Tierwohl hat sich wenig getan
Entscheidende Verbesserungen für das Tierwohl – mit der Freiheit von Erkrankungen als notwendiger Ausgangsbedingung – habe die Datenerfassung nicht gebracht, sagt Tiergesundheitsexperte Sundrum. „Noch immer ist die Mehrzahl der Kühe mehr oder weniger schmerzhaft erkrankt, überwiegend an Euterproblemen und Stoffwechselstörungen, oder sie lahmen.“
Ein Grundübel sei die prekäre Situation der deutschen Nutztierhalter, trotz hierzulande sehr hoher Produktionskosten mit den Welthandelspreisen mithalten zu müssen. „Der wirtschaftliche Rahmen lässt wenig Spielraum für Maßnahmen, die nicht auf Produktivitätssteigerungen ausgerichtet sind“, erläuterte Sundrum kürzlich im Fachjournal „Frontiers in Animal Science“.
Die jährliche Milchleistung pro Kuh hat sich demnach in den letzten 75 Jahren mehr als vervierfacht. Aktuell liegt sie je nach Rasse durchschnittlich zwischen etwa 6000 Kilogramm (Jersey) und 10.000 Kilogramm (Holstein Schwarzbunt), wie es vom Bauernverband heißt.
Ein Problem seien anhaltende Defizite in der Ausbildung, so Sundrum. „Es ist noch viel Luft nach oben beim biologischen Wissen vieler Landwirte.“ Zumindest zum Teil liege das daran, dass es in Deutschland kaum Sanktionen für hohe Erkrankungsraten gebe – die es auf kleinen Öko-Höfen ebenso wie bei großen, konventionell betriebenen Betrieben geben könne. Auch wenn viele das annähmen: Weidehaltung bedeute nicht automatisch, dass es den Kühen besser gehe als durchweg im Stall gehaltenen.
https://www.rnd.de/wissen/revolution-im-kuhstall-ki-technologie-sendet-live-daten-an-landwirte-2UXFXX66QNDFJJPS7GG36MGMQI.html
Vitaldaten auf dem Smartphone
KI kann Vieh: Diese weiße Kapsel sendet Live-Daten aus dem Kuhmagen
Moderne Sensortechnik zeigt Landwirten, wenn Kühe mit einer Infektion kämpfen, die Geburt eines Kalbes ansteht oder die Fütterung verändert werden muss. Experten sind allerdings skeptisch, ob sich dadurch das Tierwohl verbessert.
11.10.2024, 13:14 Uhr
![](https://www.rnd.de/resizer/v2/7RLOUESMQNAUNABR4UVKIXFXGM.jpeg?auth=4eafa7217cd9a68742735e2e7ce17a3ed114fb56f747a051cd832136384f6fe2&quality=70&focal=2164%2C1089&width=642&height=361)
Fitnesstracker sind zum beliebten Accessoire geworden. Mindestens genauso verbreitet sind sie im Kuhstall – dort allerdings zunehmend als eine Art schluckbare Riesenpille. Solche Systeme fänden immer mehr Verbreitung in deutschen Milchviehbetrieben, sagt Uta König von Borstel von der Universität Gießen. Verbunden sei damit die Hoffnung, effizienter und zeitsparender zu arbeiten.
Der sogenannte Bolus ähnelt einer überdimensionalen Pillenkapsel und enthält eine Reihe von Sensoren nebst Sender. Die jeweilige Kuh bekommt ihn über ein Rohr in den Netzmagen geleitet. Dort bleibt er ihr gesamtes Leben lang, erst im Schlachthof wird er wieder entfernt.
Aktuell hat ein spezielles Gerät viele Abnehmer: das System des österreichischen Unternehmens Smaxtec. Es verspricht eine Menge Hinweise unter anderem zu möglichen Erkrankungen, bald anstehender Kalbung oder auch beginnender Brunst – also der Phase, in der eine Kuh befruchtungsfähig ist.
Seltener nachts aufstehen
Für Landwirte sei gerade die Information, wann bei den einzelnen Tieren die Geburt des Kalbes ansteht, vorteilhaft, erklärt König von Borstel, Professorin am Institut für Tierzucht und Haustiergenetik. „Das spart bei verlässlichen Systemen doch den einen oder anderen nächtlichen Kontrollgang oder zumindest Kontrollblick auf die Kameras im Abkalbestall.“
Eine genaue Vorhersage der Brunst sei für die Effizienz des Betriebes wichtig: Nur eine erfolgreich besamte und neun Monate später kalbende Kuh liefert Milch. Abgeleitet wird der Hinweis auf die Brunst aus der erhöhten Aktivität des Tieres.
![](https://www.rnd.de/resizer/v2/TOKXXA3SAFDUDOKSSAYEEHRUKQ.jpeg?auth=993d2b1ff7083b6307f7d444e861d986ed5dddd6fba00a80b28667b738c9a93b&quality=70&width=642&height=428&smart=true)
Der Fitnesstracker wird in den Netzmagen der Kühe eingesetzt und sendet von dort aus Daten
Quelle: Smaxtec
Beim Kalben ist es die Entwicklung der Körpertemperatur: Sie sinkt im Vorfeld der Geburt, wie Imme Dittrich, Fachbereichsleiterin Rinderhaltung bei der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, erklärt. Eine verringerte Temperatur kann demnach jedoch auch ein Hinweis auf eine Stoffwechselstörung wie das durch Kalziummangel verursachte Milchfieber sein – steigende Werte hingegen können bedeuten, dass sich die Kuh mit einer Infektion oder Entzündung plagt.
Der Landwirt bekomme dann via Kurznachricht aufs Handy zum Beispiel gemeldet, dass Kuh 312 eine erhöhte Körpertemperatur hat, und könne gezielt nach diesem Tier schauen, erklärt Dittrich. Aktuell häuften sich solche Nachrichten in vielen Betrieben – wegen der in Rinderbeständen stark zirkulierenden Blauzungenkrankheit.
Zahl der Betriebe hat sich halbiert
Generell können gerade bei großen Betrieben viele Hinweise täglich einlaufen. „Im Schnitt haben zum Beispiel die Milchviehbetriebe in Schleswig-Holstein etwa 200 Kühe, ein Teil davon sehr viel mehr“, erklärt Dittrich. Das ist Folge des Strukturwandels hin zu weniger, aber größeren Höfen: 101.000 Milchkuhhaltungen gab es dem Deutschen Bauernverband zufolge im Jahr 2008 noch in Deutschland – im vergangenen Jahr waren es nur noch 51.700.
Messwerte wie die von Smaxtec gelieferten könnten dabei helfen, schon einzugreifen, wenn ein Tier zum Beispiel erst leicht – und damit nicht unbedingt sichtbar – erkrankt sei, sagt Dittrich. „Wird eine Euterentzündung früher behandelt, werden eventuell weniger Antibiotika benötigt.“ Und eine möglichst früh behandelte Stoffwechselstörung lässt eine Milchkuh schneller wieder die ursprüngliche Leistung liefern.
Entscheidend bleibt der Landwirt selbst
Voraussetzung ist, dass die Betriebsleiter und Herdenmanager die vielen Daten auch durchblicken und sinnvoll damit umgehen können. „So ein System steht und fällt mit den Menschen, die es nutzen“, sagt König von Borstel. Dass die mittlere Milchleistung noch einmal zunimmt und Kühe später aussortiert werden als bisher, sei bei voller und optimaler Ausnutzung der Systeme zwar denkbar. „In der Praxis ist der Landwirt mit der Flut an Daten – neben all den anderen Aufgaben, die er hat – oft eher überlastet.“
Ein Landwirt müsse heutzutage ein wahrer Datenwissenschaftler sein, sagt auch Dittrich. Und das Ausmaß der Nutzung von Messungen und KI nehme weiter zu, ergänzt König von Borstel. Mindestens einmal, besser zweimal täglich müsse derzeit die Liste an auffälligen Tieren kontrolliert werden – anschließend gelte es, sich diese Kühe im Stall anzusehen.
So ein System steht und fällt mit den Menschen, die es nutzen. In der Praxis ist der Landwirt mit der Flut an Daten – neben all den anderen Aufgaben, die er hat – oft eher überlastet.“
„Die Differenzierung, welches genaue Problem vorliegt, ist anhand der vom Bolus gelieferten Daten nicht immer eindeutig“, erklärt die Expertin. Ganz ohne den Blick auf das Tier und Kenntnisse zu den Begleitumständen gehe es nicht. Die Daten stützten Entscheidungen, nähmen sie dem Landwirt aber nicht ab, betont auch Dittrich. „Es ist immer noch essenziell, dass er selbst nach den Tieren schauen geht.“
Diesen Aspekt betont auch der Tiergesundheitsexperte Albert Sundrum. Dass der Betriebsleiter regelmäßig seine Tiere beobachtet, hält er für wesentlich wichtiger als neue und kostenträchtige Techniken wie die Bolus-Systeme. Es gehe bei den Geräten nicht zentral um das Tierwohl, sondern vor allem um potenzielle Arbeitszeiteinsparung und Effizienzsteigerung. Das seit Jahrzehnten bestehende Grundproblem der durchschnittlich sehr hohen Erkrankungs- und Abgangsraten werde auch mit den Sensoren nicht gelöst.
5 statt 20 Jahre Leben
Mehr als 20 Jahre alt können Kühe eigentlich werden, in Milchviehbetrieben werden sie aber nach Angaben des Bauernverbandes im Durchschnitt nach fünf Jahren aussortiert. Viele leiden an Krankheiten.
Im Durchschnitt gingen mehr als 80 Prozent der Erkrankungen von Milchkühen auf ernährungsbedingte Störungen zurück, erklärt Sundrum, ehemaliger Leiter des Fachgebietes Tierernährung & Tiergesundheit an der Universität Kassel. „Es besteht eine enorme Variation des Nährstoffbedarfes innerhalb einer Herde, so dass eigentlich eine tierindividuelle Fütterung nötig wäre.“ Helfen könne, die Kühe nach Leistungsstand in Gruppen einzuteilen und gezielt zu versorgen. Und, so empfiehlt es Sundrum: die Tiere täglich über eine automatische Viehwaage laufen zu lassen. An Gewichts-Datenreihen ließen sich tierindividuelle Abweichungen frühzeitig erkennen und die Nährstoffversorgung anpassen.
30 Millionen Tonnen Milch jährlich
Deutschland hat in der Milchviehhaltung sehr heterogene Strukturen – „von kleinbäuerlichen Beständen mit wenigen Kühen in Anbindehaltung bis hin zu Betrieben mit 1000 Kühen und mehr“, wie König von Borstel erklärt. Insgesamt gibt es dem Deutschen Bauernverband zufolge rund 3,7 Millionen Milchkühe (Stand Mai 2024). Mit über 30 Millionen Tonnen jährlich ist Deutschland der größte Kuhmilchproduzent innerhalb der Europäischen Union.
Neu ist das Sammeln etlicher Daten dabei keineswegs. „Die wichtigste Datenquelle stellte lange die Milchleistungsprüfung dar“, erklärt König von Borstel. Geprüft wird dabei etwa der Fett- und Eiweißgehalt, aus dem sich auf eine Unter- oder Überversorgung der Kuh schließen lässt, wie die Expertin erklärt. Harnstoff ist ein Indikator für die Proteinversorgung der Kuh.
Beim Tierwohl hat sich wenig getan
Entscheidende Verbesserungen für das Tierwohl – mit der Freiheit von Erkrankungen als notwendiger Ausgangsbedingung – habe die Datenerfassung nicht gebracht, sagt Tiergesundheitsexperte Sundrum. „Noch immer ist die Mehrzahl der Kühe mehr oder weniger schmerzhaft erkrankt, überwiegend an Euterproblemen und Stoffwechselstörungen, oder sie lahmen.“
Ein Grundübel sei die prekäre Situation der deutschen Nutztierhalter, trotz hierzulande sehr hoher Produktionskosten mit den Welthandelspreisen mithalten zu müssen. „Der wirtschaftliche Rahmen lässt wenig Spielraum für Maßnahmen, die nicht auf Produktivitätssteigerungen ausgerichtet sind“, erläuterte Sundrum kürzlich im Fachjournal „Frontiers in Animal Science“.
Die jährliche Milchleistung pro Kuh hat sich demnach in den letzten 75 Jahren mehr als vervierfacht. Aktuell liegt sie je nach Rasse durchschnittlich zwischen etwa 6000 Kilogramm (Jersey) und 10.000 Kilogramm (Holstein Schwarzbunt), wie es vom Bauernverband heißt.
Ein Problem seien anhaltende Defizite in der Ausbildung, so Sundrum. „Es ist noch viel Luft nach oben beim biologischen Wissen vieler Landwirte.“ Zumindest zum Teil liege das daran, dass es in Deutschland kaum Sanktionen für hohe Erkrankungsraten gebe – die es auf kleinen Öko-Höfen ebenso wie bei großen, konventionell betriebenen Betrieben geben könne. Auch wenn viele das annähmen: Weidehaltung bedeute nicht automatisch, dass es den Kühen besser gehe als durchweg im Stall gehaltenen.
https://www.rnd.de/wissen/revolution-im-kuhstall-ki-technologie-sendet-live-daten-an-landwirte-2UXFXX66QNDFJJPS7GG36MGMQI.html