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Overton-Magazin
Keine Rückkehr der deutschen Kriegsschiffe durch das Rote Meer
4. November 2024
Jürgen Hübschen
Die niederländische Fregatte HNLMS Tromp (F803), der Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ (A1412) (mitte) und die Fregatte „Baden-Württemberg“ (F222) (rechts) beim Auftanken während RIMPAC im Juli 2024. Bild: US Navy
Über die Bundeswehr und speziell über ihre Einsätze wird in den Medien meistens nur dann berichtet, wenn sich etwas Besonderes ereignet hat. Im konkreten Fall war es die Entscheidung des Bundesministers der Verteidigung, die am „Indo-Pacific Deployment 2024“(
https://www.bundeswehr.de/de/organisation/marine/aktuelles/indo-pacific-deployment-2024 ) beteiligte Fregatte „Baden-Württemberg“ und den Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ am regulären Ende ihres Einsatzes wegen der Raketenbedrohung durch die Huthi-Milizen nicht durch das Rote Meer nach Deutschland zurückfahren zu lassen.
Um diese Entscheidung einordnen zu können, ist es erforderlich, erst einmal zu erfahren, was es mit der Operation „Indo-Pacific Deployment 24“ eigentlich auf sich hat, in welchem die Bundeswehr nicht nur mit Bundesmarine, sondern auch mit der Luftwaffe beteiligt war. Erst danach macht es Sinn, sich damit zu beschäftigen, warum der Minister eine solche Entscheidung getroffen hat.
Indo-Pacific Deployment 24
Beim „Indo-Pacific Deployment 2024“ handelt es sich um eine nationale Operation im internationalem Umfeld. Deutschland leistet mit der Fregatte „Baden-Württemberg“ und dem Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ in der Zeit vom Mai bis November 2024 einen Beitrag zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Stabilität in der Indo-Pazifik-Region strategisch wichtiger Seewege. Außerdem nimmt Deutschland an der Überwachung der Sanktionen gegen Nordkorea teil.
Die Bundeswehr teilte im Vorfeld der Operation zur Route der beiden Schiffe und ihren Einsatzvorhaben mit ( https://www.bmvg.de/de/themen/dossiers/engagement-im-indopazifik ):
„Um internationale Beziehungen zu vertiefen, werden beide deutschen Schiffe entlang der Route militärdiplomatische Hafenbesuche machen und an verschiedenen Übungen und Manövern mit Partnern teilnehmen – darunter auch an „Rim of the Pacific“ (RIMPAC), der größten internationalen maritimen Übung der Welt.
Nach Überquerung des Atlantiks geht es für die Schiffe entlang der Ostküste Nordamerikas über den Panamakanal nach Hawaii. Anschließend wird der Verband den Westlichen Pazifik, einschließlich des Südchinesischen Meers, durchqueren. Nach einem Versorgungsaufenthalt in Singapur Anfang Oktober werden die Schiffe entlang der Seeverbindungslinien des Indischen Ozeans über das Rote Meer ins östliche Mittelmeer verlegen, wo das Indo-Pacific Deployment 2024 im November offiziell endet.“
Außer der Bundesmarine beteiligte sich auch die Luftwaffe an dieser Operation.
Nach einem Statement der Bundeswehr zum „Indo-Pacific Deployment 24“ war die Teilnahme der Luftwaffe wie folgt geplant:
„Das Luftwaffen-Engagement beginnt mit der Verlegung – gemeinsam mit den Luftwaffen Frankreichs und Spaniens – in den Indo-Pazifik (Pacific Skies). Der deutsche Luftwaffenanteil umfasst acht Eurofighter, zwölf Tornados, vier Transportflugzeuge A400M, vier A330 Multi Role Tanker Transport und vier leichte Mehrzweckhubschrauber. Von Übungen in Alaska und Japan aus geht es für einen Teil der Flugzeuge wieder nach Australien zur Übung „Pitch Black“ – der andere Teil verlegt nach Hawaii, wo er sich gemeinsam mit der Marine am US-Großmanöver „RIMPAC“ beteiligen wird. Der Rückflug nach Europa erfolgt über Indien, wo sich die französischen, spanischen und deutschen Flugzeuge an der Übung „Tarang Shakti“ beteiligen werden.“
Zum Auftrag der deutschen Truppenteile heißt es seitens der Bundeswehr:
„Das Indo-Pacific Deployment 2024 hat im Kern drei Aufträge:
die Kooperation mit regionalen Partnern vertiefen
einen Beitrag zur Sicherung der See- und Handelswege durch maritime Präsenz leisten
demonstrieren, dass Deutschland trotz des Krieges auf europäischem Boden ein verlässlicher Partner im Indo-Pazifik bleibt
Die Rückverlegung der deutschen Schiffe zum Ende von „Indo-Pacific Deployment 24“
Wie bereits dargestellt, sollten die beiden Schiffe zum Ende der Operation durch das Rote Meer ins östliche Mittelmeer verlegen. Davon wurde auf Weisung von Verteidigungsminister Pistorius aus Sicherheitsgründen Abstand genommen. Die Schiffe verlegen stattdessen um das Horn von Afrika zurück nach Deutschland. Hintergrund dieser Entscheidung ist die Sicherheitslage vor der jemenitischen Küste, wo die internationale Schifffahrt durch Raketen und Drohnen der Huthis bedroht wird.
European Union Naval Force – Aspides (EUNAVFOR Aspides)
Um diese Entscheidung einordnen zu können, ist es sinnvoll zu wissen, dass es seit Januar 2024 die Operation „European Union Naval Force – Aspides“ (EUNAVFOR Aspides) ( https://www.eeas.europa.eu/eunavfor-aspides_en?s=410381 ) gibt. Die Operation hat den Auftrag, die Freiheit der Schifffahrt im Großraum des Roten Meeres zu gewährleisten. Im Rahmen von „EUNAVFOR Aspides“ werden Handelsschiffe begleitet, um sie vor Angriffen der jemenitischen Huthis zu schützen und außerdem eine maritime Lageerfassung sichergestellt.
Deutschland hatte sich bis April 2024 mit der Fregatte „Hessen“ an diesem Einsatz beteiligt. Zum Sommer 2024 war eine erneute Beteiligung Deutschlands vorgesehen. Dazu war die Fregatte „Hamburg“ Anfang Juli ins Mittelmeer ausgelaufen und sollte sich im Seegebiet vor Kreta auf die Operation vorbereiten. Zwischenzeitlich wurden die Einsatzvorbereitungen gestoppt, und das Verteidigungsministerium hatte den Abgeordneten des Deutschen Bundestages als Begründung dazu mitgeteilt:
„Die für den Einsatz bei EUNAVFOR Aspides geplante Fregatte Hamburg wird aufgrund der aktuellen Lageentwicklung im Nahen und Mittleren Osten vorerst nicht zu EUNAVFOR Aspides entsandt und verbleibt unter nationaler Führung zunächst im östlichen Mittelmeer.“
Hintergrund könnte die möglicherweise nötige Evakuierung deutscher Staatsbürger aus dem Libanon sein, falls der Krieg zwischen Israel und den Hisbollah-Milizen im Libanon weiter eskaliert und der Luftweg nicht mehr verfügbar sein sollte. Damit beschränkt sich die deutsche Beteiligung an „EUNAVFOR Aspides“, die von Griechenland geführt wird, weiterhin auf Stabspersonal im Hauptquartier in Larissa in Griechenland und an Bord des italienischen Zerstörers Andrea Doria, auf dem das Force Headquarters (FHQ) eingerichtet ist.
Die aktuelle Lage im Großraum des Roten Meer
Neben der grundsätzlichen Kenntnis über die EU Mission „EUNAVFOR Aspides“ ist es unabdingbar, sich mit der aktuellen Lage im Großraum des Roten Meeres zu beschäftigen, um einzuordnen, warum die beiden Schiffe dieses Seegebiet nicht durchfahren sollten.
Seit 2023 greifen die Huthi vom Jemen aus Handelsschiffe im Roten Meer als erklärte Unterstützung des Krieges der Hamas gegen Israel an. Sowohl die USA als auch die Europäische Union haben zum Schutz der Frachter und Tanker Kriegsschiffe in die Region entsandt, allerdings ohne die Aktionen der Milizen wirklich eindämmen zu können. Auch Luftangriffe der USA und Großbritanniens im Rahmen der Operation „Prosperity Guardian“ auf Einrichtungen der Rebellen im Jemen haben das bislang nicht verhindern können.
So lange es zu keinem Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen und der Hisbollah im Libanon kommt, werden die Angriffe der Huthis weitergehen und sich vielleicht noch verstärken. Die schiitische Huthi-Miliz im Jemen ist laut einem UN-Expertenbericht dank militärischer Unterstützung durch den Iran und die libanesische Hisbollah dabei, zu einer “starken Militärorganisation” zu werden. Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor einem Jahr hätten die Huthis “die regionale Lage ausgenutzt” und ihre Zusammenarbeit mit der “Achse des Widerstands” ausgebaut, zu der neben dem Iran auch die Hisbollah und die islamistische Hamas im Gazastreifen gehören. Sie hätten ihre Einsatzfähigkeiten weit über die von Huthis kontrollierten Gebiete im Jemen hinaus ausgedehnt.
Den Experten zufolge erhielten die Huthis im Untersuchungszeitraum zwischen September 2023 und Ende Juli dieses Jahres Militärmaterial und militärisches Training durch die iranische Elitetruppe Al-Kuds, durch die Hisbollah sowie durch pro-iranische Gruppen im Irak. Im Irak und im Libanon seien “gemeinsame Einsatzzentren” eingerichtet worden, um Militäreinsätze zu koordinieren. Das Ausmaß, die Art und der Umfang des Transfers an Rüstungsgütern und Militärtechnologie sowie finanzieller Unterstützung für die Huthis habe ein “nie dagewesenes Ausmaß” erreicht, erklärten die Experten.
Die Entscheidung des deutschen Verteidigungsministers
Die Entscheidung, die am „Indo-Pacific Deployment24“ beteiligte Fregatte „Baden-Württemberg“ und den Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ wegen der Raketenbedrohung durch die Huthi-Milizen nicht durch das Rote Meer heimkehren zu lassen, sondern die Route um die Südspitze Afrikas zu wählen, ist aus meiner Sicht nachvollziehbar.
Die Fregatte „Baden-Württemberg“ gehört in die Klasse der Kriegsschiffe vom Typ „F 125“. Sie wurde 2019 in Dienst gestellt. Dieser von Grund auf neu konzipierte Fregattentyp beruht auf den deutschen Einsatzerfahrungen der vergangenen Jahrzehnte und ist auf Gegenwart und Zukunft von Stabilisierungseinsätzen ausgelegt. Zum Aufgabenspektrum der Klasse F125 gehört vor allem die Seeraumüberwachung in Krisenregionen weltweit wie etwa bei Missionen für Embargokontrollen oder Anti-Piraterie-Operationen.
Die Anforderung, global und lang andauernd im Einsatz bleiben zu können, löst die Baden-Württemberg-Klasse durch neue technische und organisatorische Konzepte: Für eine Intensivnutzung gedacht, kann sie mit 5.000 Betriebsstunden bis zu zwei Jahre durchgängig unabhängig vom Heimathafen operieren. Sie verfügt allerdings nur über begrenzte Fähigkeiten zur Luftverteidigung. Die Fregatte und auch der Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ sind nicht für die Abwehr von Raketen, Marschflugkörpern oder auch Drohnen ausgerüstet.
Die Kriegsschiffe des Typ F125 verfügen als Hauptwaffensysteme für die Luftverteidigung lediglich über Marineleichtgeschütze vom Kaliber 27 mm und das flugkörperbasierte Nahbereichsverteidigungssystem „RAM“ (Rolling Airframe Missile) kurzer Reichweite sowie die eingeschränkt gegen Luftziele einsetzbare 127mm-Kanone. Flugkörper zur Luftverteidigung in der Größenordnung einer „Evolved Sea Sparrow Missile“ (ESSM) sind dagegen nicht vorhanden. Deshalb plant die Marine eine möglichst schnelle Kampfwertsteigerung der vier Fregatten der Klasse F125. Konkret vorgesehen sind die Integration des Flugabwehrsystems „IRIS-T SLM“ und die Befähigung zu U-Jagd. Doch solche Kampfwertsteigerungen kosten Zeit und vor allem auch Geld.
Zusammenfassende Bewertung
Das entscheidende Problem ist nicht die unzureichende Bewaffnung der „Baden-Württemberg“ und des Versorgers „Frankfurt am Main“, sondern die Tatsache, dass sich die sicherheitspolitische Lage im Seegebiet des Roten Meer extrem verschärft hat und es weder europäischen Nationen noch den USA bislang gelungen ist, die Lage vor Ort politisch zu befrieden oder militärisch unter Kontrolle zu bringen – weder durch Aufbauen eines permanenten und ausreichend großen Schutzschirmes noch durch Zerstörung der Huthi-Raketenbedrohung.
Die Nutzung des Seewegs durch das Roten Meer und den Suezkanal hin zum Mittelmeer ist de facto nur noch mit starkem Geleitschutz durch auf Flugabwehr spezialisierte Kriegsschiffe möglich. Von dieser Art von Kriegsschiffen gibt es zu wenig und auch die dafür erforderliche Munition ist nicht ausreichend vorhanden. Die Tatsache, dass die Fregatte „Hamburg“ wegen der kritischen Situation im Libanon ihren geplanten Einsatz im Roten Meer nicht angetreten hat, verschärft die Situation für die Seefahrt im Roten Meer zusätzlich.
Natürlich ist es ein sicherheitspolitisches Armutszeugnis für den Westen, dass man der Bedrohung durch die Huthis nicht gewachsen ist. Aber im konkreten Fall musste der Verteidigungsminister befürchten, dass ein Angriff auf die zu schwach bewaffneten beiden deutschen Kriegsschiffe für die Huthis die höchste Priorität gehabt hätte, um die militärische Schwäche „des Westen“ zu beweisen.
Wichtig ist jetzt, die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Die politischen Entscheidungsträger müssen erkennen, dass das Rote Meer nur eines von vielen Nadelöhren des Welthandels ist und das Vorgehen der Huthis auch in anderen Regionen der Welt Schule machen könnte.
„Der Westen“ verfügt über die Fähigkeit, die vorhandenen Defizite zu beseitigen, muss aber den politischen Willen haben, die vorhandenen Ressourcen umgehend einzusetzen. Das ist nicht zum Nulltarif zu haben. Für Deutschland bedeutet es konkret, den Verteidigungshaushalt zu erhöhen, um z.B. die Luftverteidigungsfähigkeiten der 4 Fregatten der F125 Klasse zu verbessern. Da bekanntermaßen jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann, darf man sich auch politisch nicht scheuen, diese Erhöhung ggf. zu Lasten der militärischen und finanziellen Unterstützung der Ukraine vorzunehmen.
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Keine Rückkehr der deutschen Kriegsschiffe durch das Rote Meer
4. November 2024
Jürgen Hübschen
Die niederländische Fregatte HNLMS Tromp (F803), der Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ (A1412) (mitte) und die Fregatte „Baden-Württemberg“ (F222) (rechts) beim Auftanken während RIMPAC im Juli 2024. Bild: US Navy
Über die Bundeswehr und speziell über ihre Einsätze wird in den Medien meistens nur dann berichtet, wenn sich etwas Besonderes ereignet hat. Im konkreten Fall war es die Entscheidung des Bundesministers der Verteidigung, die am „Indo-Pacific Deployment 2024“(
https://www.bundeswehr.de/de/organisation/marine/aktuelles/indo-pacific-deployment-2024 ) beteiligte Fregatte „Baden-Württemberg“ und den Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ am regulären Ende ihres Einsatzes wegen der Raketenbedrohung durch die Huthi-Milizen nicht durch das Rote Meer nach Deutschland zurückfahren zu lassen.
Um diese Entscheidung einordnen zu können, ist es erforderlich, erst einmal zu erfahren, was es mit der Operation „Indo-Pacific Deployment 24“ eigentlich auf sich hat, in welchem die Bundeswehr nicht nur mit Bundesmarine, sondern auch mit der Luftwaffe beteiligt war. Erst danach macht es Sinn, sich damit zu beschäftigen, warum der Minister eine solche Entscheidung getroffen hat.
Indo-Pacific Deployment 24
Beim „Indo-Pacific Deployment 2024“ handelt es sich um eine nationale Operation im internationalem Umfeld. Deutschland leistet mit der Fregatte „Baden-Württemberg“ und dem Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ in der Zeit vom Mai bis November 2024 einen Beitrag zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Stabilität in der Indo-Pazifik-Region strategisch wichtiger Seewege. Außerdem nimmt Deutschland an der Überwachung der Sanktionen gegen Nordkorea teil.
Die Bundeswehr teilte im Vorfeld der Operation zur Route der beiden Schiffe und ihren Einsatzvorhaben mit ( https://www.bmvg.de/de/themen/dossiers/engagement-im-indopazifik ):
„Um internationale Beziehungen zu vertiefen, werden beide deutschen Schiffe entlang der Route militärdiplomatische Hafenbesuche machen und an verschiedenen Übungen und Manövern mit Partnern teilnehmen – darunter auch an „Rim of the Pacific“ (RIMPAC), der größten internationalen maritimen Übung der Welt.
Nach Überquerung des Atlantiks geht es für die Schiffe entlang der Ostküste Nordamerikas über den Panamakanal nach Hawaii. Anschließend wird der Verband den Westlichen Pazifik, einschließlich des Südchinesischen Meers, durchqueren. Nach einem Versorgungsaufenthalt in Singapur Anfang Oktober werden die Schiffe entlang der Seeverbindungslinien des Indischen Ozeans über das Rote Meer ins östliche Mittelmeer verlegen, wo das Indo-Pacific Deployment 2024 im November offiziell endet.“
Außer der Bundesmarine beteiligte sich auch die Luftwaffe an dieser Operation.
Nach einem Statement der Bundeswehr zum „Indo-Pacific Deployment 24“ war die Teilnahme der Luftwaffe wie folgt geplant:
„Das Luftwaffen-Engagement beginnt mit der Verlegung – gemeinsam mit den Luftwaffen Frankreichs und Spaniens – in den Indo-Pazifik (Pacific Skies). Der deutsche Luftwaffenanteil umfasst acht Eurofighter, zwölf Tornados, vier Transportflugzeuge A400M, vier A330 Multi Role Tanker Transport und vier leichte Mehrzweckhubschrauber. Von Übungen in Alaska und Japan aus geht es für einen Teil der Flugzeuge wieder nach Australien zur Übung „Pitch Black“ – der andere Teil verlegt nach Hawaii, wo er sich gemeinsam mit der Marine am US-Großmanöver „RIMPAC“ beteiligen wird. Der Rückflug nach Europa erfolgt über Indien, wo sich die französischen, spanischen und deutschen Flugzeuge an der Übung „Tarang Shakti“ beteiligen werden.“
Zum Auftrag der deutschen Truppenteile heißt es seitens der Bundeswehr:
„Das Indo-Pacific Deployment 2024 hat im Kern drei Aufträge:
die Kooperation mit regionalen Partnern vertiefen
einen Beitrag zur Sicherung der See- und Handelswege durch maritime Präsenz leisten
demonstrieren, dass Deutschland trotz des Krieges auf europäischem Boden ein verlässlicher Partner im Indo-Pazifik bleibt
Die Rückverlegung der deutschen Schiffe zum Ende von „Indo-Pacific Deployment 24“
Wie bereits dargestellt, sollten die beiden Schiffe zum Ende der Operation durch das Rote Meer ins östliche Mittelmeer verlegen. Davon wurde auf Weisung von Verteidigungsminister Pistorius aus Sicherheitsgründen Abstand genommen. Die Schiffe verlegen stattdessen um das Horn von Afrika zurück nach Deutschland. Hintergrund dieser Entscheidung ist die Sicherheitslage vor der jemenitischen Küste, wo die internationale Schifffahrt durch Raketen und Drohnen der Huthis bedroht wird.
European Union Naval Force – Aspides (EUNAVFOR Aspides)
Um diese Entscheidung einordnen zu können, ist es sinnvoll zu wissen, dass es seit Januar 2024 die Operation „European Union Naval Force – Aspides“ (EUNAVFOR Aspides) ( https://www.eeas.europa.eu/eunavfor-aspides_en?s=410381 ) gibt. Die Operation hat den Auftrag, die Freiheit der Schifffahrt im Großraum des Roten Meeres zu gewährleisten. Im Rahmen von „EUNAVFOR Aspides“ werden Handelsschiffe begleitet, um sie vor Angriffen der jemenitischen Huthis zu schützen und außerdem eine maritime Lageerfassung sichergestellt.
Deutschland hatte sich bis April 2024 mit der Fregatte „Hessen“ an diesem Einsatz beteiligt. Zum Sommer 2024 war eine erneute Beteiligung Deutschlands vorgesehen. Dazu war die Fregatte „Hamburg“ Anfang Juli ins Mittelmeer ausgelaufen und sollte sich im Seegebiet vor Kreta auf die Operation vorbereiten. Zwischenzeitlich wurden die Einsatzvorbereitungen gestoppt, und das Verteidigungsministerium hatte den Abgeordneten des Deutschen Bundestages als Begründung dazu mitgeteilt:
„Die für den Einsatz bei EUNAVFOR Aspides geplante Fregatte Hamburg wird aufgrund der aktuellen Lageentwicklung im Nahen und Mittleren Osten vorerst nicht zu EUNAVFOR Aspides entsandt und verbleibt unter nationaler Führung zunächst im östlichen Mittelmeer.“
Hintergrund könnte die möglicherweise nötige Evakuierung deutscher Staatsbürger aus dem Libanon sein, falls der Krieg zwischen Israel und den Hisbollah-Milizen im Libanon weiter eskaliert und der Luftweg nicht mehr verfügbar sein sollte. Damit beschränkt sich die deutsche Beteiligung an „EUNAVFOR Aspides“, die von Griechenland geführt wird, weiterhin auf Stabspersonal im Hauptquartier in Larissa in Griechenland und an Bord des italienischen Zerstörers Andrea Doria, auf dem das Force Headquarters (FHQ) eingerichtet ist.
Die aktuelle Lage im Großraum des Roten Meer
Neben der grundsätzlichen Kenntnis über die EU Mission „EUNAVFOR Aspides“ ist es unabdingbar, sich mit der aktuellen Lage im Großraum des Roten Meeres zu beschäftigen, um einzuordnen, warum die beiden Schiffe dieses Seegebiet nicht durchfahren sollten.
Seit 2023 greifen die Huthi vom Jemen aus Handelsschiffe im Roten Meer als erklärte Unterstützung des Krieges der Hamas gegen Israel an. Sowohl die USA als auch die Europäische Union haben zum Schutz der Frachter und Tanker Kriegsschiffe in die Region entsandt, allerdings ohne die Aktionen der Milizen wirklich eindämmen zu können. Auch Luftangriffe der USA und Großbritanniens im Rahmen der Operation „Prosperity Guardian“ auf Einrichtungen der Rebellen im Jemen haben das bislang nicht verhindern können.
So lange es zu keinem Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen und der Hisbollah im Libanon kommt, werden die Angriffe der Huthis weitergehen und sich vielleicht noch verstärken. Die schiitische Huthi-Miliz im Jemen ist laut einem UN-Expertenbericht dank militärischer Unterstützung durch den Iran und die libanesische Hisbollah dabei, zu einer “starken Militärorganisation” zu werden. Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor einem Jahr hätten die Huthis “die regionale Lage ausgenutzt” und ihre Zusammenarbeit mit der “Achse des Widerstands” ausgebaut, zu der neben dem Iran auch die Hisbollah und die islamistische Hamas im Gazastreifen gehören. Sie hätten ihre Einsatzfähigkeiten weit über die von Huthis kontrollierten Gebiete im Jemen hinaus ausgedehnt.
Den Experten zufolge erhielten die Huthis im Untersuchungszeitraum zwischen September 2023 und Ende Juli dieses Jahres Militärmaterial und militärisches Training durch die iranische Elitetruppe Al-Kuds, durch die Hisbollah sowie durch pro-iranische Gruppen im Irak. Im Irak und im Libanon seien “gemeinsame Einsatzzentren” eingerichtet worden, um Militäreinsätze zu koordinieren. Das Ausmaß, die Art und der Umfang des Transfers an Rüstungsgütern und Militärtechnologie sowie finanzieller Unterstützung für die Huthis habe ein “nie dagewesenes Ausmaß” erreicht, erklärten die Experten.
Die Entscheidung des deutschen Verteidigungsministers
Die Entscheidung, die am „Indo-Pacific Deployment24“ beteiligte Fregatte „Baden-Württemberg“ und den Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ wegen der Raketenbedrohung durch die Huthi-Milizen nicht durch das Rote Meer heimkehren zu lassen, sondern die Route um die Südspitze Afrikas zu wählen, ist aus meiner Sicht nachvollziehbar.
Die Fregatte „Baden-Württemberg“ gehört in die Klasse der Kriegsschiffe vom Typ „F 125“. Sie wurde 2019 in Dienst gestellt. Dieser von Grund auf neu konzipierte Fregattentyp beruht auf den deutschen Einsatzerfahrungen der vergangenen Jahrzehnte und ist auf Gegenwart und Zukunft von Stabilisierungseinsätzen ausgelegt. Zum Aufgabenspektrum der Klasse F125 gehört vor allem die Seeraumüberwachung in Krisenregionen weltweit wie etwa bei Missionen für Embargokontrollen oder Anti-Piraterie-Operationen.
Die Anforderung, global und lang andauernd im Einsatz bleiben zu können, löst die Baden-Württemberg-Klasse durch neue technische und organisatorische Konzepte: Für eine Intensivnutzung gedacht, kann sie mit 5.000 Betriebsstunden bis zu zwei Jahre durchgängig unabhängig vom Heimathafen operieren. Sie verfügt allerdings nur über begrenzte Fähigkeiten zur Luftverteidigung. Die Fregatte und auch der Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ sind nicht für die Abwehr von Raketen, Marschflugkörpern oder auch Drohnen ausgerüstet.
Die Kriegsschiffe des Typ F125 verfügen als Hauptwaffensysteme für die Luftverteidigung lediglich über Marineleichtgeschütze vom Kaliber 27 mm und das flugkörperbasierte Nahbereichsverteidigungssystem „RAM“ (Rolling Airframe Missile) kurzer Reichweite sowie die eingeschränkt gegen Luftziele einsetzbare 127mm-Kanone. Flugkörper zur Luftverteidigung in der Größenordnung einer „Evolved Sea Sparrow Missile“ (ESSM) sind dagegen nicht vorhanden. Deshalb plant die Marine eine möglichst schnelle Kampfwertsteigerung der vier Fregatten der Klasse F125. Konkret vorgesehen sind die Integration des Flugabwehrsystems „IRIS-T SLM“ und die Befähigung zu U-Jagd. Doch solche Kampfwertsteigerungen kosten Zeit und vor allem auch Geld.
Zusammenfassende Bewertung
Das entscheidende Problem ist nicht die unzureichende Bewaffnung der „Baden-Württemberg“ und des Versorgers „Frankfurt am Main“, sondern die Tatsache, dass sich die sicherheitspolitische Lage im Seegebiet des Roten Meer extrem verschärft hat und es weder europäischen Nationen noch den USA bislang gelungen ist, die Lage vor Ort politisch zu befrieden oder militärisch unter Kontrolle zu bringen – weder durch Aufbauen eines permanenten und ausreichend großen Schutzschirmes noch durch Zerstörung der Huthi-Raketenbedrohung.
Die Nutzung des Seewegs durch das Roten Meer und den Suezkanal hin zum Mittelmeer ist de facto nur noch mit starkem Geleitschutz durch auf Flugabwehr spezialisierte Kriegsschiffe möglich. Von dieser Art von Kriegsschiffen gibt es zu wenig und auch die dafür erforderliche Munition ist nicht ausreichend vorhanden. Die Tatsache, dass die Fregatte „Hamburg“ wegen der kritischen Situation im Libanon ihren geplanten Einsatz im Roten Meer nicht angetreten hat, verschärft die Situation für die Seefahrt im Roten Meer zusätzlich.
Natürlich ist es ein sicherheitspolitisches Armutszeugnis für den Westen, dass man der Bedrohung durch die Huthis nicht gewachsen ist. Aber im konkreten Fall musste der Verteidigungsminister befürchten, dass ein Angriff auf die zu schwach bewaffneten beiden deutschen Kriegsschiffe für die Huthis die höchste Priorität gehabt hätte, um die militärische Schwäche „des Westen“ zu beweisen.
Wichtig ist jetzt, die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Die politischen Entscheidungsträger müssen erkennen, dass das Rote Meer nur eines von vielen Nadelöhren des Welthandels ist und das Vorgehen der Huthis auch in anderen Regionen der Welt Schule machen könnte.
„Der Westen“ verfügt über die Fähigkeit, die vorhandenen Defizite zu beseitigen, muss aber den politischen Willen haben, die vorhandenen Ressourcen umgehend einzusetzen. Das ist nicht zum Nulltarif zu haben. Für Deutschland bedeutet es konkret, den Verteidigungshaushalt zu erhöhen, um z.B. die Luftverteidigungsfähigkeiten der 4 Fregatten der F125 Klasse zu verbessern. Da bekanntermaßen jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann, darf man sich auch politisch nicht scheuen, diese Erhöhung ggf. zu Lasten der militärischen und finanziellen Unterstützung der Ukraine vorzunehmen.
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